Neue Herausforderungen, neue Anfänge –
Das Burghardt-Gymnasium nach dem Zweiten Weltkrieg in der „Ära Hummel“
Das Burghardt-Gymnasium Buchen feierte 2020 sein 175-jähriges Jubiläum. Die Meilensteine der Schulgeschichte werden in einer Artikelserie beleuchtet. Der fünfte Artikel berichtet von den Herausforderungen in der Nachkriegszeit und dem Weg der Schule in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein unter dem Schulleiter Dr. Johann Hummel.
Schulschließungen als wiederkehrende Herausforderung
Die Schule ist geschlossen. Über Monate hinweg. Die Schülerinnen und Schüler sind zu Hause. Die auch mit Schulschließungen verbundene Bekämpfung der Corona-Pandemie stellte die deutschen Schulen vor vielfältige Herausforderungen, kohärente Antworten mussten schrittweise entwickelt werden. Die Geschichte des Burghardt-Gymnasiums ist aber auch eine Geschichte des Neuanfangs in der Krise, die „Tour D’Horizon“ durch die Buchener Schulgeschichte hat deutlich gemacht, dass Notsituationen im Rückgriff auf neu verhandelte Konsense und gebündelte Ressourcen immer wieder überstanden und sogar zukunftsträchtig gestaltet werden konnten. Und tatsächlich sind auch Schulschließungen kein neuartiges Phänomen: Vom 16. bis 23. Februar 1929 war die Schule aufgrund knapper Heizvorräte „wegen großer Kälte“ geschlossen. Vom 6. November 1942 bis zum 15. Februar 1943 war die Schule aufgrund der in Buchen grassierenden Typhusepidemie geschlossen. Und auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieben die Tore der Schule für ein ganzes Jahr verschlossen. Die Wiederaufnahme des Unterrichts am 2. Mai 1946 erfolgte unter schwierigen Bedingungen.
Neuanfang in einer Zeit des Mangels und der Not
Schrittweise konnten ab Mai 1946 die Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichen Klassenstufen in die Schule einbestellt werden. Die Schulgebäude hatten den Krieg abgesehen von der Innenausstattung zwar weitgehend unbeschadet überstanden, es fehlte allerdings an Lehrkräften und Unterrichtsmaterialien. Unter den 16 Lehrkräften, die vor dem Krieg unterrichtet hatten, waren zehn Mitglieder der NSDAP, drei Nicht-Parteimitglieder gehörten anderen NS-Organisationen an. Die Entnazifizierung durch die amerikanische Militärregierung führte insofern zwangsweise zu einem Lehrermangel, der Unterricht wurde mit vier Klassen und nur drei Lehrkräften aufgenommen.
Die Schülerinnen und Schüler machten einen „erbärmlichen“ Eindruck, so der Schulleiter Dr. Caroli, der die vordringlichen Probleme klar benannte: „Über allen Fragen steht der Hunger.“ Sein Nachfolger Dr. Hummel, Schulleiter ab 1947, berichtete von Schülern, die ohne Strümpfe in die Schule kamen oder verschnittene Zeltplanen als Mäntel benutzten. Der teils beschwerliche Schulweg über viele Kilometer musste von vielen Schülerinnen und Schülern zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Etwas Abhilfe schuf die „Hoover-Hilfe“ aus den USA: Immerhin 170 Schüler erhielten 1946/47 vormittags eine warme Mahlzeit. Als Heft- und Blockersatz diente bisweilen die Tageszeitung. Und auch Lehrbücher fehlten anfangs noch, diese mussten neu erstellt und durch die Militärregierung zugelassen werden.
Raumnot als Schlüsselproblem
Die prekären Lebensverhältnisse und Unterrichtsbedingungen verbesserten sich erst nach der Währungsreform 1948 und im Zeichen des wirtschaftlichen Aufschwungs der Folgejahre. Als Schlüsselproblem der Schule, die seit 1947 als Realgymnasium firmierte und 1954 auf Antrag der Stadt in Erinnerung an Franz Burghardt den Namen „Burghardt-Gymnasium Buchen“ erhielt, kristallisierte sich die Raumnot heraus. Die Schülerzahlen stiegen über die Jahre im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs rasant – im Schuljahr 1950/51 besuchten 357 Schülerinnen und Schüler die Schule, 1975/76 waren es bereits 942 –, mehrere Klassen mussten nach Walldürn und Adelsheim verlegt werden. Von den 17 Klassen der Schule konnten 1952 nur 11 am Ort unterrichtet werden.
Die Behebung der Raumnot wurde zur entscheidenden Herausforderung in der beinahe dreißigjährigen Amtszeit des Schulleiters Dr. Hummel. Umbauten und ein kleiner Anbau hatten bereits 1949/59 etwas mehr Platz verschafft. Bis die Probleme grundlegend angegangen wurden, musste allerdings viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg konnten in den Jahren 1958, 1962, 1967 und 1973 Baumaßnahmen vollzogen werden, die der Schule ihr heutiges Gesicht mit mehreren Trakten verliehen. Nicht zuletzt dem unermüdlichen Einsatz des Schulleiters war es zu verdanken, dass die Schule mit über 40 Unterrichtsräumen schließlich gut versorgt war.
Schule im Wandel der Zeit
Jede Schule hat ihren eigenen Charakter, und dieser hängt sicher auch mit dem Schulgebäude zusammen: Der intensiv bespielte Kletterpark als Teil des heutigen Pausenhofs wird fraglos vielen Kindern als Erinnerung an ihre Schule im Gedächtnis bleiben. Doch das Gesicht einer Schule formt sich nicht allein aus Steinen. Das Gesicht des Burghardt-Gymnasiums wird seit den 1950er-Jahren auch durch ein aktives und buntes Schulleben bestimmt: Die regelmäßigen Wanderungen seit 1948, Landschulheimaufenthalte und Studienfahrten ins Ausland, das facettenreiche soziale Engagement, die sportlichen Erfolge diverser Schülerauswahlen und AGs, zahlreiche Theateraufführungen und denkwürdige Frühlings- und Weihnachtskonzerte, nicht zuletzt groß angelegte Schulfeste und Ehemaligentreffen wie im Jahr 2017 prägen den Geist des Burghardt-Gymnasiums. „Gerne würde die Schule die Freude der Schüler an Musik und Spiel durch Darbietungen in der Öffentlichkeit noch mehr fördern; doch es fehlt die Aula“ – die Umbaumaßnahmen an der Schule seit dem Herbst 2018 verhindern nicht nur eine „neue Raumnot“ und stellen die Schule gut für die Zukunft auf, sondern werden auch das Problem beheben, auf das Schulleiter Hummel am Ende seiner Amtszeit noch verwiesen hat.
Das Schulgebäude wird so gewissermaßen an den Geist der Schule angepasst. Die Architektur formt nicht das Gesicht der Schule, aber sie wird selbiges noch besser zum Ausdruck bringen, noch schärfer konturieren. Und hier zeigt sich wiederum: Schule ist stets im Wandel – wie die Gesellschaft, der sie angehört. Es war die Herausforderung in den vergangenen 175 Jahren und es bleibt die Herausforderung für die Zukunft der Schule, auf diesen beständigen Wandel zu reagieren und ihn bewusst, wertebasiert und zukunftsoffen zu gestalten.
Schlüsselübergabe bei der Einweihung von Trakt 1 (1962),
von links nach rechts: Bürgermeister Dr. Schmitt, Schulleiter Dr. Hummel, Architekt Ackermann