Lesung von Prof. Dr. Wieland Backes
Hintersinnig, humorvoll, nachdenklich und nonchalant war jene besondere Lesung, die Buchhändler Johannes Volk zum „Welttag des Buches“ organisiert hatte: Im Atrium des Burghardt-Gymnasiums hielt am Dienstag kein Geringer als der langjährige SWR-Moderator Prof. Dr. Wieland Backes („Nachtcafé“, „Ich trage einen großen Namen“) eine moderierte Lesung. Zum Einen stellte er seine neue Kurzgeschichtensammlung „Unmöglich! Erfundene Geschichten, die das Leben schrieb.“ vor, zum Anderen erzählte er bereitwillig aus seinem Leben und seinen Gedanken – begleitet von der sensiblen Fragestellung des Moderators Martin Hoffmann.
Das Atrium hatte sich gut gefüllt, als sich Oberstudiendirektor Jochen Schwab dem Thema des Abends und dem Nimbus des illustren Gasts näherte. „Wieland Backes' Nachtcafé war für viele ein Teil des Wochenendes“, bekräftigte Schwab und würdigte die feinfühlige Art der Gesprächsführung, mit der Backes eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen wusste. Auch am Dienstag erwies sich das Ambiente als entspannt und gelassen. Der Abend als Solcher lässt sich in zwei Teile gliedern: Zunächst stellte sich Wieland Backes den Fragen Martin Hoffmanns, die sowohl dem Buch als auch dem Leben und Wirken galten. Hier offenbarte der Stuttgarter seinen persönlichen Umgang mit seiner Parkinson-Erkrankung: Einige Jahre habe er die Diagnose für sich behalten. Ein Entschluss, den er nie bereut habe: „Ich wusste schon zwei Jahre vor meiner letzten Sendung, dass ich Parkinson habe und konnte in die neue Situation hineinwachsen. Wenn man eine solche Thematik öffentlich macht, wird man nur noch als Kranker gesehen“, schilderte er bewegend und offenbarte sich als Hobbykoch – der aber „lieber vor sich hin köchelt, anstatt für eine Kochsendung auf den Bildschirm zurückzukehren“. Zum Schreiben kam Backes – der bereits vor längerer Zeit seine Autobiographie und ein Begleitbuch zum „Nachtcafé“ ediert hatte – vor wenigen Jahren: „Ich wollte intellektuell, gestalterisch und künstlerisch etwas tun. So fing ich zu schreiben an ohne zu wissen, ob ich meine Kurzgeschichten jemals veröffentlichen wolle. Mit wachsender Begeisterung aber nahm meine Eitelkeit zu – und der erste Impuls kam oft aus der Wirklichkeit. Manche Geschichte fokussiert auch ein Thema, das mich persönlich berührt und umtreibt“, informierte der Stuttgarter. Speziell für das Genre der Kurzgeschichte sei der erste Start wichtig: „Man hat keine Zeit, lang vor sich hin zu schreiben – man muss den Akzent setzen“, betonte Wieland Backes, für den Humor und Wortwitz als „elementares Sprachelixier“ gelten. Eine gute Kurzgeschichte müsse neugierig machen, den Leser überraschen und definiere sich über lebhafte Protagonisten: „Für jede Figur entstehen Bilder im Kopf“, räumte der ab 1973 beim damaligen SDR tätige Backes ein. Nicht unerwähnt ließ er, seine ersten darstellerischen Marksteine schon weit zuvor gesetzt zu haben: Mit fünfzehn Jahren drehte er einen Spielfilm namens „Die letzte Zigarette“ - eine Liebesgeschichte, die über Kontakte im schönsten Kino seines damaligen Wohnorts aufgeführt wurde und auf Begeisterung stieß. Spätere Projekte waren weniger beschaulich, wie Backes am Beispiel einer Reportage über die Berliner Hausbesetzerszene verdeutlichte: „Man erhält Einblicke in Welten, in die man normalerweise nicht sieht“, betonte er.
Es verstand sich bei alledem von selbst, dass Wieland Backes eine Auswahl von Kurzgeschichten aus seinem Buch vortrug. Die ausgewählten Texte - „Flaneur“, „Arm und reich“ sowie „Belle Époque“ - wussten durchweg durch ihre gediegene Erzählweise mit eleganter Wortwahl, ihre tiefe inhaltliche Aussage und die aus jedem Satz klingende Lebenserfahrung des 77-jährigen Autors zu imponieren. Mal ist Heiner Becker auf Sinnsuche und wird Teil eines sozialen Experiments, mal ist der kleine Bodo von Mutberg mit seinem Altachtundsechziger-Lehrer auf den Spuren gesellschaftlicher und ethischer Paradigmen unterwegs, dann suchen Hans und Maria Berger ganz unvermittelt das Weite und schlagen den Jüngeren ein gekonntes Schnippchen: Wieland Backes weiß, was das Leben in all seinen Farben und Facetten ausmacht. Bei alledem umschifft er auch sensible Themen wie Obdachlosigkeit, Alter und Einsamkeit, die Lücke zwischen Arm und Reich oder Missbrauch nicht: Er geht sie direkt an. Das tut er eloquent, warmherzig, mit dem diskreten Charme sanft formulierter und doch unmissverständlicher Kritik an der Gesellschaft. Kurzum: Er präsentiert Geschichten aus dem Leben und über das Leben, wie sie sich so oder so ähnlich durchaus hier und da abgespielt haben dürften. Und er präsentiert Geschichten, die es wert sind, erlesen und erfahren zu werden, um darin einzutauchen und die eine oder andere Prise Tiefsinn auf sich wirken zu lassen. „Es ist ein dünnes Buch, also muss der Inhalt anspruchsvoll sein“, charakterisierte Backes sein Werk abschließend. Nachdem er sich über Jahrzehnte ausgiebig mit realen Biographien und Lebenslinien befasst habe, sei ihm das Herangehen an fiktive – und doch lebensnahe wie lebhafte – Geschichten eine besondere Freude gewesen. „Man kann erfundene Geschichten gegenüber der Realität stärker zuspitzen und zuweilen größere Erkenntnisse transportieren als mit realen Geschichten. So schrieb er ein Buch über Themen, mit denen ich mich täglich befasse!“, ließ er wissen.
Ehe Wieland Backes sich Zeit für das Signieren, das eine oder andere Erinnerungsfotos und kurze Gespräche nahm, dankte Johannes Volk sowohl dem Publikum und Oberstudiendirektor Jochen Schwab als auch Wieland Backes und Moderator Martin Hoffmann. Auch Backes zeigte sich erfreut: „Ich werde den Odenwald in bester Erinnerung behalten“, betonte er.
Info: Das Buch „Unmöglich! Erfundene Geschichten, die das Leben schrieb.“ von Wieland Backes (ISBN 978-3-8392-0654-6) ist im lokalen Buchhandel erhältlich.
Text und Bilder: Adrian Brosch (RNZ)