Leichtathletik-Mannschaft des BGB feierte 40 Jahre nach dem Bundessieg bei „Jugend trainiert für Olympia“ ein Wiedersehen
Wir schreiben das Jahr 1984: Carl Lewis holt bei den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles vier Goldmedaillen im Sprint und im Weitsprung, im Radio wird Giorgio Moroders Olympia-Hymne „Reach out (for the Medal)“ rauf und runter gespielt, und in Berlin schreiben einige Dutzende Leichtathleten Buchener Sport- und Schulgeschichte: Beim Bundesfinale des Wettbewerbs „Jugend trainiert für Olympia“ sind gleich fünf Mannschaften aus Buchen am Start. Die Jüngsten, die BGB-Jungs vom Wettkampf III (Jahrgänge 1970/71), schaffen dabei die Sensation: Sie werden überraschend Bundessieger in ihrer Altersklasse.
Neun der 13 Sportler von damals und drei ihrer betreuenden Lehrer trafen sich am Samstag – 40 Jahre nach dem großen Triumph – in Buchen. „Ihr seid gewachsen, auch in die Breite, und habt Haare verloren“: Gewohnt hart, aber herzlich begrüßte Alois Malcher, der die Idee für das Treffen hatte, seine früheren Schüler zum Empfang im Alten Rathaus. Auch wenn sich einige der früheren Teamkollegen teilweise seit Jahrzehnten nicht gesehen hatten, lagen alle gleich wieder auf einer Wellenlänge: Die gemeinsamen Erlebnisse und die gemeinsamen Erinnerungen schweißen zusammen. Neben Malcher hatten sich Harald Genzwürker, Bernd Mayer und Christian Reinhardt um die Organisation des Wiedersehens gekümmert.
„Eigentlich wollten wir auch eine Einheit im Stadion abhalten“, sagte Genzwürker augenzwinkernd, „doch darauf haben wir dann verzichtet.“ Der Leichtathletik ist aktuell nur noch einer der damaligen Bundessieger treu geblieben: Holger Rubel, zuletzt Dritter bei den hessischen Meisterschaften über 100 Meter in der Altersklasse M50. Mit 14,6 Sekunden war der 54-Jähriger nur zwei Sekunden langsamer als vor 40 Jahren.
„Die Veteranen des Buchener Schulsports treffen sich“, sagte Bürgermeister Roland Burger in seiner Begrüßung und würdigte die damalige Ausnahmeleistung: „Es war ein Höhepunkt in der Buchener Sportgeschichte.“
Details dazu lieferte Alois Malcher: Er würdigte zunächst die herausragenden Verdienste seines Lehrerkollegen Albert Kull (†), den RNZ-Redakteur Pius Sanns (†) damals als „Vater des Buchener Schulsport-Wunders“ bezeichnet hatte. Der Wettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ wurde 1969 ins Leben gerufen, und schon 1970 sei die erste BGB-Mannschaft beim Bundesfinale in Berlin gewesen. In den Folgejahren schafften es insgesamt 20 Teams des BGB unter Kulls Leitung zum Finale in die Hauptstadt, ehe die goldene Ära der leichtathletischen Erfolge 1988 endete. Gegen die damals aufkommenden Sportgymnasien und die Schulen aus Ballungszentren habe das BGB dann keine Chance mehr gehabt, bedauerte Malcher.
„1984 war aber ein ganz besonderes Jahr aus Buchener Sicht“, erinnerte sich der ehemalige Lehrer: Drei Mannschaften des BGB und zwei von der damaligen Nachbarschaftshauptschule hatten das Finale erreicht, das in der letzten Septemberwoche in Berlin ausgetragen wurde. Diese besondere Konstellation wurde auch von der RNZ gewürdigt: Redakteur Pius Sanns begleitete die Buchener Delegation die ganze Woche lang und berichtete in die Heimat. Die entsprechenden Zeitungsausschnitte, die Harald Genzwürker mitgebracht hatte, wurden fleißig studiert. Neben dem Bundessieger gingen noch ein dritter, ein vierter und zwei sechste Plätze nach Buchen.
Neben Kull und Malcher gehörten unter anderem auch die Lehrer Wilfried Hüttig, Wolfgang Böhm und Norbert Hummel zur Buchener Delegation. „Es war für uns alle ein unvergessliches Erlebnis“, sagte Malcher und gab die eine oder andere Anekdote zum Besten – auch die vom überzogenen Zapfenstreich. Am Abend vor dem Beginn der Wettkämpfe sei er mit den späteren Bundessiegern, den jüngsten Teilnehmern, noch unterwegs gewesen. Der von Albert Kull vorgegebene Zapfenstreich war bereits überschritten, als Lehrer Malcher und seine Schüler zurück auf das Olympiagelände kamen, wo sie in einer Jugendherberge direkt im Stadion wohnten. „Hinter einem Pfeiler trat plötzlich Albert Kull hervor, schickte die Jungs ins Bett und stellte mich zur Rede“, erzählte Malcher: „Ich hatte zwar keine Angst, aber durchaus Respekt ...“
Doch spätestens als seine Jungs zwei Tage später Bundessieger wurden, war das Überziehen des Zapfenstreichs auch bei Albert Kull vergessen: Mit 15 554 Punkten ließ das jüngste BGB-Team die Konkurrenten aus Kaiserslautern und Bebra hinter sich. Daran hatten alle 13 Sportler ihren Anteil. Einige herausragende Resultate seien dennoch genannt: Axel Schnurr sprang 5,54 Meter weit und lief die 100 Meter in 12,1 Sekunden, Heiko Eberle bewältigte die 1000 Meter in 2:57,46 Minuten. Bernd Mayer sprang 1,66 Meter hoch, stieß die Kugel 14,39 und warf den Ball sogar 78 Meter weit. In jeder Einzeldisziplin kamen die besten zwei von drei Startern in die Wertung.
Multitalent Bernd Mayer ist eine besondere Begegnung noch in bester Erinnerung: Ihm gratulierte Diskuswerfer Rolf Danneberg, der wenige Wochen zuvor Olympiasieger geworden war, zu seiner Leistung. „Ich war schon recht kräftig, aber bei seinem Händedruck musste ich doch die Zähne zusammenbeißen!“
„Es war etwas ganz Besonderes, im Olympiastadion antreten zu dürfen“, erinnerte sich Harald Genzwürker. „Damals haben wir nicht realisiert, welche besondere Leistung es war, dass es aus einer kleinen Stadt wie Buchen gleich fünf Teams ins Finale geschafft haben.“
„Die 70er und 80er Jahre waren eine besondere Zeit für das BGB“, betonte Schulleiter Jochen Schwab, „sie haben die Grundlage dafür gelegt, dass der Schulsport bei uns einen besonderen Stellenwert genießt.“ Schüler brauchten Leistungsvergleiche: Sie abschaffen zu wollen, sei der falsche Weg: „Ihr wart damals bereit, Leistung zu zeigen“, sagte Schwab zu den Bundessiegern von 1984, „auch dank euch lebt der Mythos bis heute weiter.“ Dies alles sei aber nur möglich gewesen, weil es in Albert Kull und seinen Mitstreitern Lehrer gegeben habe, die bereit waren, sich in besonderem Maße zu engagieren.
Beim gemeinsamen Mittagessen im „Reichsadler“, bei einer Stadtführung und beim Treffen in der Schule tauschten die Bundessieger und ihre Lehrer noch viele Erinnerungen an den September 1984, der nicht nur ihnen unvergessen ist, sondern seinen festen Platz in der Buchener Schul- und Sportgeschichte hat.
https://www.bgbuchen.de/aktuelles/aktuelles/die-helden-von-berlin-trafen-sich-in-buchen.html#sigProId2b6f7d39db
Text und Bilder: Rüdiger Busch (RNZ)