Warum wir unsere Erinnerungskultur schützen müssen
„Unsere Geschichte ist ein kostbarer Erfahrungsschatz. Auf diese Erfahrung dürfen wir vertrauen.“ Dies konstatierte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner Rede am 8. Mai 2025 anlässlich des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkrieges. Gerade diese Aussage zeigt auf, wie stark die Vergangenheit mit unserer Gegenwart verwoben ist und unser Handeln und unsere Identität beeinflussen und lenken kann. Dabei kann die Vergangenheit als Maßstab für verantwortungsvolles Handeln dienen, oder aber auch als Warnung und Verpflichtung, die Fehler von damals zu reflektieren und aus ihnen zu lernen.
Am 9./10. Oktober 2025 unternahm die 13 Klassenstufe mit ihren zuständigen Geschichtslehrern des Burghardt-Gymnasiums Buchen eine zweitägige Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Dachau und das NS-Dokumentationszentrum in München, um die Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft an zwei geschichtsträchtigen Orten der NS-Diktatur zu durchleuchten. Die Anreise der Gruppe erfolgte mit dem Bus von Buchen aus ab ca. 7:15 Uhr. Nach einer etwas verspäteten Ankunft in Dachau um ca. 13 Uhr setzten sich die jeweiligen Geschichtskurse im Zuge eines Halbtagesseminar intensiv mit dem historischen Lernort auseinander. Ziel des Besuchs war es, die historische Realität des Konzentrationslagers direkt vor Ort kennenzulernen, die systematische Gewalt und Verfolgung zu verstehen und die im Unterricht behandelten Inhalte zum Thema Nationalsozialismus anschaulich zu vertiefen. Der Rundgang wurde von Guides begleitet und wurde dem „Weg der Häftlinge“ nachempfunden.
Der Zugang zum ehemaligen Gefangenenlager erfolgt heute über das sogenannte Jourhaus mit dem Tor, durch das damals Häftlinge ein- und austreten mussten. Über dem eiserenen Tor thront die Überschrift „Arbeit macht frei“, einer der berühmtesten Leitsprüche der Nationalsozialisten. Edgar Kupfer-Koberwitz, der selbst im Konzentrationslager inhaftiert war, schrieb zu diesem Spruch Folgendes in sein geheim geführtes Tagebuch: „So sieh es doch, was alle sehn. Der Tod macht frei! - das sollte stehen: Tod löst die Tyrannei“. Wer könnte das Leid des Konzentrationslagers besser beschreiben als jemand, der selbst Zeuge und Opfer der menschenverachtenden Verbrechen der Nationalsozialisten geworden ist?
Die Schülerinnen und Schüler betraten im Zuge des Rundgangs die Rekonstruktion einer Häftlingsbaracke, das Lagergefängnis, die Gaskammer und die Krematorien des KZs. In diesen Gebäuden setzten sie sich mit der Leidensgeschichte der Häftlinge auseinander – wie sie verschleppt wurden, wie ihnen ihre Identität geraubt wurde, wie ihr Name durch eine Zahl ausgetauscht wurde, wie sie gequält, gepeinigt und schlussendlich ermordet wurden, und das alles unter den menschenunwürdigsten Umständen. Durch das Beleuchten des Schicksals von Georg Elser beschäftigten sich die Schüler mit der Frage „Wie weit darf bzw. muss ich für die Erhaltung der Demokratie und demokratischer Grundrechte gehen?“. Am Ende des Rundgangs trafen die jeweiligen Gruppen auf ein Mahnmal, auf dem zwei Wörter stehen: Nie wieder. Ein Versprechen, das nicht nur den Opfern des Holocaust gilt, sondern vor allem auch unserer jetzigen und der nachkommenden Generation. Denn wenn wir auf die Erfahrung der Vergangenheit zurückgreifen, müssen wir feststellen, dass Rechtstaatlichkeit, die Würde des Menschen und seine Grundrechte und Demokratie keine grundsätzlichen Automatismen sind, sondern nur Bestand haben und stabil sind, wenn wir uns für sie einsetzen und sie mit Leben füllen.
Anders als in Dachau beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler am nächsten Tag, wieder in Gruppen aufgeteilt, im NS-Dokumentationszentrum in München mit der Ansicht und Auffassung der Täter. Das Dokumentationszentrum liegt direkt neben dem braunen Haus, der einstigen Parteizentrale der NSDAP, und steht symbolisch für den Aufstieg Adolf Hitlers, der vor allem um das braune Haus herum in München an Einfluss und Wichtigkeit für die NSDAP gewann. In der Ausstellung selbst wird der Weg der Nationalsozialisten beschrieben. Angefangen mit der Dolchstoßlegende in der Weimarer Republik über den gescheiterten Hitlerputsch 1923 und das Vorgehen im Zweiten Weltkrieg bis hin zum Ende der NS-Diktatur werden die Methoden und Vorgehensweisen der Täter genauestens beschrieben und veranschaulicht. Zudem beschäftigt sich die Ausstellung mit den Leitfragen „Wie konnte die Demokratie scheitern?“ und „Wie entstanden Ausschluss, Verfolgung, Krieg und Massenmord?“. Methodisch kombiniert sie fotografische Quellen, (Re-)Kopien von Dokumenten, Film- und Tonmaterial, persönliche Lebensgeschichten und interaktive Stationen und legt dabei besonderes Augenmerk auf die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Bedingungen in München, die das Entstehen und Erstarken der NS-Bewegung begünstigten; sie fokussiert auf den Aufstieg der NSDAP und die Mechanismen, durch die Gewalt und Ausgrenzung etabliert wurde, und nicht zuletzt auch auf den Alltag der Diktatur sowie den Zusammenhang von Lokal- und Nationalgeschichte. Zum Abschluss der Führung lag der Fokus, wie in Dachau auch, auf der Nachkriegsgeschichte und darauf, wie München und andere Akteure und Orte mit dieser Vergangenheit nach 1945 umgegangen sind und welche Spuren diese Erinnerungskultur bis in unsere heutige Gegenwart hat.
Der spanische Philosoph George Santayana sagte am Eingang des Blocks 4 im KZ Auschwitz „Wer die Geschichte nicht erinnert, ist verurteilt, sie neu zu durchleben“. Ganz ähnlich äußerte sich Max Mannheimer, ebenfalls Holocaust-Überlebender: „Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Wir als Gesellschaft sind verpflichtet, uns zu erinnern. An die Schrecken des Holocaust, an die Opfer und an das „Nie wieder“. Dabei geht es aber nicht nur darum, dass wir uns erinnern, sondern auch vor allem darum, WIE wir uns erinnern. Im Jüdischen heißt Erinnern zugleich auch Erneuern, was gerade 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder wichtiger wird. 80 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus sind es nur noch wenige Zeitzeugen, nur noch wenige Opfer, die uns von ihren persönlichen Erfahrungen erzählen und uns als lebendige Mahnung an das, was war, erinnern können. Ihre Stimmen werden bald für immer verstummen, dann bleiben uns nur noch Gedenkorte wie Dachau, das NS-Dokumentationszentrum in München und die Frage „Wie kann ich mich richtig erinnern und verhindern, dass aus dem Nie wieder ein Nie wieder ist jetzt entsteht?“. Letztendlich kann man auf diese Frage mit den Worten von Margot Friedländer antworten: „Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen.“
https://www.bgbuchen.de/aktuelles/aktuelles/exkursion-der-j13-kz-gedenkstaette-dachau.html#sigProIdfc79fc8d8c
Text: Clara Eiermann (J13)
Bilder: Herr Demel



