Dr. Genzwürker referierte am BGB über Energydrinks – Verbot an der Schule wird mit umfangreicher Präventionsarbeit verknüpft
„Die Schüler waren außer Rand und Band, an Unterricht war nicht mehr zu denken“, erinnert sich Alexander Kull. Eigentlich stand für die Sechstklässler an diesem Tag im vergangenen Schuljahr Nachmittagsunterricht auf dem Programm. Da die Schüler in der Mittagspause aber zahlreiche Dosen eines Energydrinks geleert hatten und dementsprechend aufgedreht waren, kam der Pädagoge an seine Grenzen. Dieses Erlebnis sorgte – neben einer Reihe weiterer – dafür, dass sich die Verantwortlichen des Burghardt-Gymnasiums (BGB) intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die Folge: Seit diesem Schuljahr sind die süßen Koffein-Kicks am BGB verboten. Ausnahmen wird es nur für die Schüler der Kursstufe geben.
Da es mit Verboten allein nicht getan ist und die Schule ihren Präventionsauftrag ernst nimmt, finden begleitend Informationsveranstaltungen statt, und über die gefährlichen Nebenwirkungen solcher Getränke wird künftig in der 7. Klasse auch im Unterricht aufgeklärt. Am Mittwoch referierte Privat-Doz. Dr. Harald Genzwürker, Chefarzt an den Neckar-Odenwald-Kliniken, zweimal vor Schülern der Klassenstufen 8 bis 10 über das Thema.
„Wir möchten Energydrinks aus der Schule weitgehend raushalten“, unterstrich Schulleiter Jochen Schwab in seiner Einleitung und wies auf Fallbeispiele hin, bei denen der übermäßige Konsum „teilweise zu ungutem Verhalten“ geführt habe. Gleichzeitig gehe es bei dem Verbot, für das die Zustimmung der Schulkonferenz und der Gesamtlehrerkonferenz nötig war, auch um gesundheitliche Aspekte.
Und diese Folgen für den Körper – vor allem für den noch nicht ausgewachsenen Körper von Kindern und Jugendlichen – verdeutlichte Dr. Genzwürker ebenso anschaulich wie überzeugend. Energydrinks enthalten neben jeder Menge Zucker auch Substanzen wie Koffein, Taurin, Guarana sowie Farbstoffe und Aromen. Eine Dose (250 Milliliter) enthält im Schnitt 80 Milligramm Koffein. Und dieses Koffein stimuliert die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin. In der Folge schlägt das Herz schneller, der Puls steigt, und die Blutgefäße erweitern sich. „Entscheidend ist die Dosis“, sagte Genzwürker: Während Erwachsene ihre tägliche Ration Kaffee zumeist gut vertragen würden, läge die Schwelle bei Kindern und Jugendlichen deutlich niedriger: „In diesem Alter regelmäßig Energydrinks zu konsumieren, ist keine gute Idee!“
Denn bei übermäßigem Konsum können diese Getränke die Funktion des Herz-Kreislauf-Systems ungünstig beeinflussen, wie gerade erst vor Kurzem die Ergebnisse einer von der Deutschen Herzstiftung geförderten Studie nahelegen. „Die befürchteten Folgen reichen von Auffälligkeiten des Herzrhythmus bis hin zu Veränderungen der Gefäßelastizität und Blutdruckerhöhungen.“
Die extreme Koffein-Zufuhr versetze das Herz in stete Alarmbereitschaft, warnte Genzwürker. Dies könne bis zum Kreislaufkollaps und im schlimmsten Fall bis zum Tod führen. Deutlich vor Augen geführt wurden den Schülern die möglichen Folgen in einem kleinen Filmbeitrag über einen jungen Krankenpfleger, der regelmäßig mehrere Dosen am Tag getrunken hatte, um seinen stressigen Alltag zu bewältigen. Eine Untersuchung beim Kardiologen brachte einen deutlich erhöhten Ruhepuls und Herzrhythmusstörungen ans Licht.
Die Liste der Nebenwirkungen ist aber noch deutlich länger: Sie reichen von Nervosität und Anspannung über Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen bis hin zu gravierenden Schlafproblemen. Wer sich mit einem solchen Getränk den richtigen Kick für eine Klassenarbeit oder einen Sportwettkampf geben möchte, erreiche das Gegenteil: „Die Leistungsfähigkeit wird nicht gesteigert!“
Vertieft wurde die Thematik zwischen den beiden Vorträgen in einem Pressegespräch, an dem neben dem Referenten und dem Schulleiter die Schülersprecher Mira Finger, Luca Grimm und Jonathan Philipp, Svitrigaila Conrad vom Arbeitskreis Gesundheit der SMV und die Lehrer Katharina Kleiser und Alexander Kull vom Präventionsteam teilnahmen. In dieser Arbeitsgruppe bringen sich zudem weitere Lehrer, die SMV sowie Sabine Kieser vom Verein für gesunde Ernährung ein.
Wie Jochen Schwab berichtete, sei es vor allem im Nachmittagsunterricht zu Problemen mit Gruppen von Schülern aus der Mittelstufe gekommen, die mehrere Dosen Energydrinks konsumiert hatten. Dabei sei auch Gruppendruck entstanden, so dass sich weitere Schüler genötigt gesehen hätten mitzumachen. „Deshalb mussten wir als Schule reagieren“, betonte der Schulleiter.
Manche älteren Schüler hätten das Verbot zunächst nicht nachvollziehen können, berichteten Jonathan Philipp und Luca Grimm. Inzwischen sei ihnen jedoch klar, dass der Konsum dieser Getränke für die jüngeren Mitschüler nicht zu empfehlen sei. Für die Kursstufe wird gerade an einer Ausnahmeregelung gearbeitet: „Die älteren Schüler sind mündig genug“, so Schwab. Dennoch sollten sie beim Genuss solcher Getränke ihre Vorbildfunktion für jüngere Schüler nicht vergessen.
Trotz des Verbots lässt sich nicht verhindern, dass Schüler sich in der Mittagspause im Discounter mit den frei verkäuflichen Energydrinks eindecken und sie auf dem Rückweg zur Schule austrinken, wie die Schülersprecher anmerkten. Deshalb müsse die Aufklärungsarbeit auch die Eltern erreichen, unterstrich der Schulleiter.
Das Thema beschäftige aktuell viele Schulen im Land, sagte Jochen Schwab. Am Ganztagsgymnasium Osterburken seien Energydrinks ebenfalls verboten. „Es ist gut, dass die Schule hier vorangeht und für das Thema sensibilisiert“, sagte Dr. Harald Genzwürker abschließend und sprach sich für eine Altersbeschränkung wie bei Alkohol und Zigaretten aus: „Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Energydrinks erst ab 16 erhältlich wären!“
https://www.bgbuchen.de/aktuelles/aktuelles/koffein-kick-mit-gefaehrlichen-folgen.html#sigProIda264fd35f8
Text: Rüdiger Busch (RNZ)
Bilder: Rüdiger Busch (RNZ) und Herr Schwab